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Zu klug für die Rechtschreibung?

Von Emil Rudolf Benz

Einer meiner E-Learning-Programmierer schrieb die Mails und Notizen an mich immer in Schweizer Mundart und alles nur in Kleinbuchstaben. Ich stellte ihn zur Rede und erhielt verblüffende Antworten:

„Schau, das Schweizerdeutsch hat keine verbindlichen Rechtschreibregeln, ja eigentlich ist es ja nur eine gesprochene Sprache. Und Rechtschreibregeln habe ich nie begriffen, weil sie nicht logisch sind.“

„Ja aber du kannst die Regeln ja trotzdem lernen und dann auch richtig schreiben.“

Nun erzählte er mir seine Geschichte als sogenannter Legastheniker:

„Ich habe in der Schule alle Wörter immer so geschrieben, wie ich sie hörte. Ich hatte täglich Streit mit der Lehrerin und galt als hoffnungsloser Fall. Aber ich sah nicht ein, wieso man zum Beispiel Boot mit zwei o schreibt, aber Bohne mit oh und Boden mit nur einem o, wo doch die ohs in all diesen Wörtern gleich lang sind und es keine logische Erklärung für die unterschiedliche Schreibweise gibt. Man drohte mir mit Sonderschule und Therapie. Also bekam ich Therapie. Stundenlang musste ich Silben klatschen, trommeln und Fingerübungen machen. Ich war so gut in diesen Sachen, dass ich als Clown hätte auftreten können. Willst du mal sehen?“

Wir saßen im ICE von Frankfurt nach Basel, als er mir die Geschichte erzählte. Ich konnte ihn nicht zurückhalten. In den nächsten zehn Minuten unterhielt er das ganze Zugabteil. Er spielte Therapeutin und Patient, er lautierte, klatschte, gestikulierte… - Am Schluss setzte er sich wieder artig hin und seufzte:

„Aber die Rechtschreibung habe ich nicht gelernt, bis heute nicht.“

Nun, um diesen Mitarbeiter muss ich mir trotzdem keine Sorgen machen. Er kann fehlerfrei programmieren, zwar spricht er dabei die Formeln laut vor sich hin, aber man nimmt es ihm nicht übel. Wenn er an Kunden Mails schreiben muss, dann benutzt er Korrekturprogramme und wenn ihm das zu kompliziert wird, telefoniert er, neuerdings auch kostenlos über Skype.

Übrigens: Der junge Mann hat sich schon als Kind geweigert seinen Vornamen richtig zu schreiben. Er tat das so konsequent und überall, dass jetzt auch in seinem Pass „Patrik“ steht und nicht „Patrick“.

Ob Patrik nun klug ist oder einfach ein selbstsicherer Lebenskünstler bleibe dahingestellt. Sicher ist, dass die meisten Kinder mit Lernschwierigkeiten in irgendeiner Form auf eine professionelle Betreuung angewiesen sind, damit sie sich entwickeln können.

Heute werden Therapien und Individuelle Förderung sehr viel einfühlsamer, wirkungsvoller und professioneller durchgeführt. Die Lehrkräfte, Therapeutinnen und Therapeuten verstehen ihren Beruf als Berufung.
Wir vom K2-Verlag wollen Sie in Ihrer anspruchsvollen Arbeit mit besten Lernhilfen unterstützen.

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