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Hilfe durch echtes Spiel

Eltern sind nun stark gefordert um den Alltag mit kleinen Kindern zu Hause zu gestalten. Die aktuelle Situation bringt Chancen, birgt aber auch Gefahren in sich. Manche Eltern verausgaben sich mit einem fast pausenlosen Animations-Programm. Das ist einfach zu anstrengend auf die Länge und tut weder Kindern noch Eltern gut.

Kleine Kinder sind unglaublich lebendig. Sie bewegen sich und spielen  - das ist ihr eigentliches Lebenselement. Dafür haben sie heute meist zu wenig Raum und Zeit. Das freie Spiel ist an den Rand gedrängt worden. Es liegt im Trend, dass Eltern meinen, die Kinder beschäftigen und unterhalten zu müssen. Am bequemsten geschieht das durch die Fesselung an elektronische Geräte. Die Kinder sind gebannt und es ist dann wenigstens ruhig. Das ist sehr verführerisch. Aber der natürliche Bewegungsdrang staut sich an und entlädt sich nachher umso explosiver, aggressiver oder aber das Gegenteil tritt ein: Die Kinder werden zu passiven „Konsumempfängern“,  sind „angefixt“ und verlangen dauernd nach Unterhaltung.

Wie kann das  selber erfundene Spielen wieder in Gang kommen und so verlaufen, dass es auch für Erwachsene eine Freude wäre, dabei zu sein? Eines ist heute fast in Vergessenheit geraten: Gesunde Kinder spielen, wenn sie ungestört sind, ununterbrochen von morgens bis abends und zwar ohne jede Anleitung! In solch freiem, nicht vorgegebenem Spiel verarbeiten sie die täglichen Erlebnisse, ihr Konflikte, auch ihre Ängste. Es ist ihr angeborener Weg, gesund zu bleiben. Es ist ausserdem die beste Förderung überhaupt und übertrifft jedes von Erwachsenen ausgedachte Programm bei weitem. Dagegen ist auch jeder Bildschirm einfach nur flach!

Was braucht es dazu?

Für Kinder ab ca. 3 bis 7 Jahren: möglichst wenig konventionelles Spielzeug. Räumen Sie in einer gemeinsamen Aktion mit den Kindern das meiste „Zeug“ in einen grossen Behälter, welcher vorübergehend wegkommt. Künden Sie das „Abenteuerland“ an. Dazu braucht es Platz, Ruhe und Ungestörtheit. Es braucht nur Haushaltmaterialien wie Tücher, Wäscheklammern, Seile, Kissen und „Baumaterial“ wie Stühle, Tische, Besenstiele usw. Das Zauberwort ist: „wir wären jetzt“ z. B. auf einem Schiff. Dann geht es los. Die  eigenen Ideen der Kinder beginnen zu sprudeln.

Für Kinder  bis zu 3 Jahren: Sobald Kinder sicher  selber gehen können, sind sie tätig unterwegs. Sie „helfen“ gerne. Sie räumen mit Vorliebe ein und aus, füllen ein und leeren aus, sie „putzen“ und „kochen“. Ermöglichen Sie den kleinen Helfern vielerlei „Arbeiten“.  Zelebrieren Sie selber ganz bewusst notwendige Haushaltarbeiten wie das Aufräumen, Putzen, Kochen oder Bügeln auf eine  ganz neue Weise: mit Ruhe, Präsenz und Liebe. Sie werden staunen, was das bei Ihnen selbst und bei den Kindern auslöst! Kinder wollen Arbeiten frei nachahmen. Es ist kontraproduktiv, sie zu „bespielen“. Sie wollen  echtes Tun freudig nachahmen Sie können aus dieser Atmosphäre heraus  dann unvermittelt vom „Schaffen“ ins Spiel finden und oft stundenlang verweilen. Verkneifen Sie es sich, dieses Spiel auch nur ansatzweise zu stören – auch sich selbst zuliebe. Geniessen Sie es!

Nichts ist schöner zu erleben als Kinder, die völlig ins Spiel vertieft sind. Sie sind im Flow. Solche Spiele können sich besonders bei Kindern ab 4 Jahren über Tage hinziehen. Sie bleiben am Thema dran. Die Erwachsenen können sich entspannen und es braucht absolut kein Unterhaltungsprogramm.

Die aktuelle Krise ist eine grosse Chance für die Kinder, wieder Zeit fürs freie, selbsterfundene Spiel zu haben. In Zeiten der Angst ist das für sie für die Verarbeitungdoppelt wichtig. Nutzen Sie diese Zeit um Ihre Kinder wieder mit ihrer eigentlichen Kindheit zu verbinden. Sie steckt niemals in einem elektronischen Gerät!

Sind sie überzeugt, dass Ihre Kinder leider nicht fähig sind, auf diese Weise zu spielen? Da dieses Spiel  aus einem jedem Menschen innewohnenden inneren Quell entspringt, kann es  gar nicht versiegen. Die Quelle kann  zwar vermauert sein, aber sie ist immer da. Und sie beginnt wieder zu sprudeln, wenn sie darf!

Wenn es zuhause vorerst nicht gelingen sollte, suchen Sie einen Platz in der Natur auf, wenn dies wieder möglich sein wird. An einem Bach oder Flussufer gibt es wunderschöne Stellen, wo alle vier Elemente, Wasser, Erde, (Sand und jede Menge Steine) Luft und Feuer (aus Schwemmholz) –, anwesend sind. Sie ermöglichen freies Spiel in schönster, vielfältiger Weise. Die Kinder verbinden sich ganz mit der Umgebung. Hier fühlen sie sich aufgehoben als Kinder der Natur. Die Natur spielt immer.

Maria Luisa Nüesch

ist Kindergärtnerin, Eurythmistin, Leiterin von Mutter-Kind-Gruppen, tätig mit Vorträgen und Kursen rund um die Spiel- und Bewegungsentwicklung, Autorin des im K2-Verlag erschienenen Ratgebers "Spiel aus der Tiefe - Von der Fähigkeit der Kinder, sich gesund zu spielen".

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